Offener Brief: Keine Energiewende ohne Mobilitätswende  

Sehr geehrter Herr Bundesminister Gabriel,

die Krim-Krise hat uns einmal mehr vor Augen geführt, wie problematisch die große Abhängigkeit von russischen Öl- und Gaslieferungen ist. Wie aktuellen Medienberichten zu entnehmen ist, betrachten Sie die russischen Energielieferungen derzeit allerdings als alternativlos. Wir erlauben uns, Ihnen an dieser Stelle zu widersprechen und möchte Ihnen einen alternativen Lösungsweg vorschlagen: Lassen Sie uns doch gemeinsam alle Kräfte bündeln und zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Wir reduzieren die Abhängigkeit von Russland nicht, indem wir andere Quellen für Öl und Gas suchen, sondern indem wir die Abhängigkeit von fossilen Rohstoffen durch eine erfolgreiche Energie- und Mobilitätswende reduzieren.

Wie Sie wissen, hat der Verkehrssektor in Deutschland einen Anteil am Endenergieverbrauch von etwa 30 Prozent. Auch der Anteil des Verkehrs am CO2-Ausstoß ist mit circa 20 Prozent erheblich. Berücksichtigt man zudem die seit Jahren steigende Verkehrsleistung, so machen die Zahlen deutlich: Ohne den Verkehrssektor geht es nicht – Energie- und Mobilitätswende müssen gemeinsam gedacht und angepackt werden.

Zum einen gilt es, den Kraftstoffverbrauch und die CO2-Emissionen im Verkehr zu reduzieren. Elektromobilität auf Basis Erneuerbarer Energien kann dazu beitragen, die Abhängigkeit von fossilen Rohstoffen zu verringern und zur Energieautarkie sowie zum Erreichen der Klimaschutzziele der Bundesrepublik beizutragen. Zum anderen hält der Verkehrssektor auch spannende technische Lösungen für die Energiewende bereit, die bisher viel zu wenig Beachtung finden. So bergen zum Beispiel intelligente Stromnetze in Verbindung mit rückspeisefähigen Elektrofahrzeugen das Potential, die Lastspitzen regenerativer Stromerzeugung abzupudern, indem sie als mobile Energiespeicher fungieren.

Aktuell vermisst die Branche ein klares Bekenntnis zur Energie- und Mobilitätswende. Forderungen aus den Reihen der großen Koalition, die umstrittene Fracking-Technik als Alternative zu russischem Gas in Betracht zu ziehen, sind die völlig falsche Antwort auf die Energiefrage. Vielmehr sollte das Ziel sein, so schnell wie möglich unabhängig von fossilen Rohstoffen gleich welcher Herkunft zu werden.

Entscheidend für eine ambitionierte Mobilitätswende als integraler Teil der Energiewende sind unseres Erachtens folgende Punkte:

  • Der Verkehrssektor muss viel stärker als bisher im Sinne einer ganzheitlichen Lösung in die Energiewende mit einbezogen werden. Es ist dringend erforderlich, dass die Themen Elektromobilität und Bauen viel stärker als bisher miteinander verknüpft werden.
  • Ein geschlossenes, engagiertes Auftreten aller an der Energie- und Mobilitätswende beteiligten Ministerien. Leider beobachten wir in der politischen Praxis, dass häufig streng nach Zuständigkeit der Ministerien wichtige Teil-Aspekte der Mobilitätswende ausgeblendet werden oder Kompetenzgerangel sachdienliche Lösungen verzögert oder gar verhindert.
  • Fördermittel für Elektromobilitäts-Projekte müssen wieder aus dem Bundeshaushalt kommen. Die Finanzierung aus dem Energie- und Klimafonds funktioniert ganz offenkundig nicht. Bereits bewilligte Förderprojekte im Bereich Elektromobilität warten zum Teil seit Monaten auf die Freigabe von Fördergeldern. Die daraus resultierende, fehlende Planungs- und Finanzsicherheit stellt insbesondere Klein- und Mittelständische Unternehmen vor große Probleme und bremst Innovation.
  • Beim Aufbau von Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge werden den beteiligten Unternehmen unzählige Steine in den Weg gelegt. Häufig mangelt es an klaren Zuständigkeiten und Regelungen. Ein Bürokratieabbau im Sinne kürzer Entscheidungswege ist dringend notwendig.
  • Eine öffentliche Beschaffungsinitiative, die Bund, Länder und Kommunen bei der Umstellung ihrer Fuhrparks auf saubere Antriebe unterstützt. Die öffentliche Hand schafft auf diese Weise einen wichtigen Absatzmarkt für alternative Antriebe, über den sich wichtige Skaleneffekte realisieren lassen und trägt außerdem zum Erreichen der nationalen Klimaschutzziele bei.

Die jüngst bekannt gewordenen Pläne zur Verabschiedung eines Elektromobilitätsgesetzes sind grundsätzlich begrüßenswert und ein Schritt in die richtige Richtung. Nach einer langen Phase des Beinahe-Stillstands im Bereich Elektromobilität drängen wir nun nachdrücklich auf eine schnelle Umsetzung der Pläne, damit den vielfachen Ankündigungen auch endlich sichtbare Taten folgen.

Nur durch eine ambitionierte Energie- und Mobilitätswende können wir gewährleisten, den starken Wirtschaftsstandort Deutschland für die Zukunft erfolgreich aufzustellen und gleichzeitig die Abhängigkeit von fossilen Rohstoffen zu reduzieren.

Gerne bringen wir als Verband unsere Expertise ein, um Ihnen die zahlreichen Chancen der Elektromobilität als integraler Baustein der Energiewende aufzuzeigen und zum erfolgreichen Gelingen einer ganzheitlichen Energie- und Mobilitätswende beizutragen.

Dieses Schreiben geht in Kopie ebenfalls an Herrn Bundesminister Dobrindt und Frau Bundesministerin Hendricks sowie an Vertreter der Medien.

Mit freundlichen Grüßen
BEM-Präsident Kurt Sigl und BEM-Vizepräsident Christian Heep